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- Gedanken zum Umgang mit der Flüchtlingssituation im Religionsunterricht. -

Religionsunterricht und Integration

Die Religionslehrkräfte im Kirchendienst trafen sich zu ihrer Vollversammlung am 2. Juni 2016 im Würzburger Burkardushaus. Mit dem Schwerpunktthema der Integration von Flüchtlingen im Religionsunterricht befasst sich der Bericht von Rochus Schirmer.

Wir erleben es tagtäglich: Unsere Welt rückt zusammen, ist globaler und bunter geworden. Ereignisse in fernen Ländern sind plötzlich in unserer unmittelbaren Umgebung präsent. Die Vielfalt und Geschwindigkeit unserer modernen Kommunikation macht unseren Lebensalltag unübersichtlicher, stressanfälliger und führt oft zu Überforderung und Resignation. Gerade deshalb haben wir für unsere Vollversammlung das Thema Flüchtlinge im Kontext von Religionsunterricht und Integration gewählt.

Im Internet, der Kommunikations- und Informationsquelle Nummer eins unserer Schüler, kursieren viele Vorurteile, falsche und unvollständige Informationen und werden oft als gesicherte und sachlich korrekte Tatsache völlig unreflektiert wahrgenommen, „gelikt” und weiter verbreitet. Auch die oft einseitige Berichterstattung der klassischen Medien und unüberlegte Äußerungen von Politikern tragen leider dazu bei. Frustriert glauben viele Menschen, dass es nur noch um machtpolitische und wirtschaftsstrategische Interessen geht und sehen sich persönlichen Bedrohungsszenarien ausgesetzt. Politischer Extremismus in unterschiedlichster Ausprägung, Angst, Verunsicherung und Gewalt sind die Folge.

Das Wichtigste wird dabei vergessen: Es geht um Menschen, die Ursachen ihrer Flucht, wie wir damit umgehen und wie wir unsere Zukunft gestalten wollen. Es ist deshalb sehr wichtig im Religionsunterricht einen sinnvoll verwertbaren Praxisbezug zu diesem Thema herzustellen.

Der Referent unserer Veranstaltung, Herr StR Thomas Geißendörfer aus der Berufsschule Kitzingen (Staatliches Berufsschulzentrum Kitzingen-Ochsenfurt), hat unsere hochinteressierte Berufsgruppe auf sehr praxisnahe Weise aus dem Schulalltag von BAF-Schülerinnen und -Schülern (Berufsschulpflichtige Asylbewerber und Flüchtlinge) sehr umfassend informiert.

Ein Kriterium für die BAF-Beschulung sind die unterschiedlichsten Herkunftsländer und Bildungsstände, die Fremdsprache Deutsch und die Fluchtursachen: Es treffen Hochschulstudenten auf Handwerker oder Facharbeiter bis hin zu Menschen, die noch nie die Gelegenheit hatten eine Schule zu besuchen. Unterschiedliche Religionen (Islam, Orthodoxe Christen etc.) lernen katholische und evangelische Christen im zum Teil für sie völligen neuen Umfeld Schule kennen.
Fluchtursachen sind vor allem Krieg im eigenen Land, Bedrohung durch Verfolgung von religiös-fundamentalistischen Gruppen, wie dem IS, Taliban, Al-Quaida, Boko Haram etc., Inhaftierung und Folter durch diktatorische Regierungen und lebensbedohliche Armut. Oft reicht es auch nur in Lebensgefahr zu sein, weil man beispielsweise als Christ einfach die falsche Religion hat.

Viele Flüchtlinge müssen gezwungenermaßen ihre Familie wegen der Gefahren und der körperlichen Beschwerlichkeit der Flucht für ihre Frauen und Kinder und aus finanziellen Gründen zurücklassen. Da bleibt oft nur noch das mitgebrachte Handy als einziges Kommunikationsmedium, um mit zu Hause in Kontakt zu bleiben.
Grundsätzlich konzentriert sich die Beschulung der BAF-Schüler auf die Fächer, Deutsch als Fremdsprache, Mathematik, eine berufsspezifische Ausbildung, Religion bzw. Ethik und Sport. Wichtig ist natürlich, dass Ängste und die Scheu in einem neuen soziokulturellen Umfeld abgebaut werden und hier das eigenständige Zurechtkommen erlernt wird.

Problematisch sind zum Teil auch falsche Erwartungen der ankommenden Flüchtlinge. Viele gehen davon aus schnell Arbeit zu finden, um Geld in die Heimat zu schicken, damit der Rest der Familie nachkommen kann.
In der Praxis ist dies – trotz unseres Fachkräftemangels – oft aus politischbürokratischen oder organisatorischen Gründen nicht möglich. Das führt dazu, dass Flüchtlinge von der Regierung auch wieder zurückgeschickt werden, weil die Zuständigkeit für die Betreuung unklar ist oder auch die Länderherkunft eine Rolle spielt. Leider gibt es auch politische Bestrebungen Länder als zukunftssichere Herkunftsländer einzustufen, was aber leider in der Praxis nicht der Realität entspricht.
Es soll auch nicht verschwiegen werden, dass Flüchtlinge durch falsche Angaben zu uns direkt oder weiter in andere europäische Länder einreisen wollen und dann ebenfalls zurückgeschickt werden. Dies kommt jedoch sehr selten vor.
Im praktischen Schulalltag ist interessant, dass neben möglichen Konfliktsituationen, die wir sowieso aus dem Schullalltag kennen, es so gut wie keine Konflikte zwischen Flüchtlingen und einheimischen Schülern aufgrund der
unterschiedlichen Religionen gibt, wie zum Beispiel der oft in den Medien dargestellten Konflikte zwischen Islam und Christentum.
Im Gegenteil: Muslimische Schülerinnen und Schüler achten christliche Schülerinnen und Schüler in sehr respektvoller Weise, weil auch sie den Respekt gegenüber ihrer eigenen Religion erwarten und erweisen sich durch ihr freundliches und höfliches Wesen als sehr dankbar. Auch die gegenseitige Akzeptanz von Schülerinnen spielt in diesem Zusammenhang eine bedeutende Rolle. Nun, was bedeutet das für die Praxis des Religionsunterrichts?
Im Mittelpunkt steht unser christliches Lebensideal, das von Selbst- und Nächstenliebe, Respekt, Empathie, Toleranz, Dankbarkeit, Gastfreundschaft, Hilfe für Bedürftige und Barmherzigkeit geprägt ist, in dem sich die Liebe Gottes zum
Menschen und umgekehrt erschließt.

Dadurch bieten sich viele Chancen für den Religionsunterricht: Bildlich gesprochen liegt es an jedem Einzelnen von uns, ob aus unserem Lebensideal – quasi der Harmonielehre Gottes - die Musik eines Lebens wird, die
unser Leben als wohlklingendes Miteinander sinnvoll und schön werden lässt. Der Ton macht bekanntlich die Musik!
Sich kennenlernen und voneinander lernen, trägt dazu bei, dass kulturelle Vielfalt Möglichkeiten zur persönlichen und gesellschaftlichen Bereicherung eines friedlichen Miteinander eröffnet.

Vorurteile abbauen, Ängste nehmen, Respekt und gegenseitige Wertschätzung sind die Basis unserer pädagogischen Verantwortung:
Denn wenn es im Sinne der Goldenen Regel Jesu gelingt, unsere Schüler in die Lage zu versetzen darüber nachzudenken, ob sie der Mensch sind, dem sie selbst gerne begegnen wollen, haben wir viel erreicht!